Montag, 24. September 2007

Bratwurst vs. Surströmming

Der Arbeitseinsatz am Samstag, war eigentlich eher eine traditionelle Veranstaltung. Sehr interessant. Ich hatte schon erwähnt, dass bei uns in der Umgebung jede Menge alte Sennereien, sogenannte „fäbods“ stehen. Nur wenige werden noch betrieben, die meisten sind in Nutzung als Wochenendhaus.

Der Sinn der Sennerei bestand und besteht darin, dass die Wiesen um den heimatlichen Hof nicht genügend Futter abwarfen, also rodete man Wald, baute ein Abbild des eigenen Hofes dort hin und brachte im Sommer das Vieh in den Wald, wo es frei herumlaufen kann und nach Herzenslust fressen. Gleichzeitig zäunte man bestimmte Wiesenflächen ein, dort wurde Heu gemacht. Am Ende des Sommers brachte man das Vieh, das Heu und den über den Sommer hergestellten Käse wieder zurück in den Heimathof.

Was hat mein kleiner Ausflug in die Geschichte dieser Gegend nun mit unserem samstäglichen Arbeitseinsatz zu tun? Ganz einfach: der Wald versucht permanent, das ihm abgerungene Land zurückzuerobern. Auf den Wiesen wachsen Eberesche, Birke, kleine Kiefern und Fichten. Pflegt man diese Wiesen nicht, so ist wertvolles Weideland binnen kurzem wieder versteppt. Also machen sich viele Menschen, vom Kind bis zum Opa an die Arbeit und rupfen oder schneiden alle kleinen „Störenfriede“ aus dem Weideland. Und weil man in Schweden ist, tut man das nicht in großer Verbissenheit und Hektik, sondern fröhlich und entspannt.

Das bedeutet, dass es auch ein gemeinsames Mittagessen gibt. Ganz in der Landestradition gab es „korv med bröd“ also Wurst mit Brot. Ich wurde sogar extra von der Arbeit freigestellt, um Kathrin zum Essen zu holen.

Besonders spannend war, dass alle Beteiligten ganz neugierig auf die beiden „Tyska“ waren. Jeder wollte wissen, ob wir über den Winter hier bleiben wollen, ob wir Angst vor Bären oder Wölfen haben und was wir überhaupt so im Winter treiben wollen, wenn wir nicht gerade gegen Bäre und Wölfe kämpfen. Und alles auf schwedisch.

Nach dem Mittagessen wurden wir von der Arbeit freigestellt, damit wir uns darauf vorbereiten konnten, dass am Abend um 18 Uhr ein kleines Fest stattfinden würde. Sozusagen der Saisonabschluss der Wochenend-Besitzer. Jeder sollte sein eigenes Essen und Trinken mitbringen.

Wir dachten, wir machen unseren Nachbarn eine Freude und nehmen deutsche Bratwürste mit. Das wird sie sicher freuen.

Zunächst nahmen wir 6 Würste mit, bei Bedarf wollten wir Nachschub holen. Als wir auf der Feier ankamen und unsere Würste und den Senf auspackten, da sagte doch plötzlich jemand zu uns: „Ihr kommt nach Schweden und esst deutsche Würste mit deutschem Senf. Denkt ihr nicht, dass es Zeit wird, schwedische Produkte zu essen?!“

Na, das ging also kräftig nach hinten los. Niemand hatte verstanden, dass wir unsere Würste als Kostprobe austeilen wollten. Alle dachten, dass wir noch so an der Heimat hingen, dass wir ohne deutsches Essen nicht klarkommen würden.

Zum Glück konnten wir einem der Anwesenden, der etwas Deutsch sprach,  die Situation erklären und ab da kamen dann auch die Leute zu uns an den Tisch, brachten ein Stück ihres eigenen Essen mit, mal Krebse, mal Gustafkorv, eine leckere Pferdewurst (nachdem ich mir hier im Blog schon einen „guten“ Ruf als Katzenhasser gemacht habe, kann ich ja zugeben, dass ich so was esse!) und dann nahmen sie sich ein Stück unserer guten Bratwürste mit. Mal war es ein Viertel, mal ein Sechsunddreißigstel und ein ganz Mutiger, nahm sogar eine halbe Wurst mit. Feedback haben wir keines erhalten…

Wer weiß was Surströmming ist, weiß, dass die Schweden nicht gerade einen fragilen Geschmack haben. Diese Fischdosen muss man unter Wasser öffnen, weil sonst die Wohnung noch Jahre nach Exkrementen stinkt. Sie essen es dennoch. Warum mögen sie dann keine Thüringer Bratwürste??? Das kriegen wir noch raus, aber ich fürchte, es hat nichts mit den Geschmacksnerven zu tun, als mit dem Spruch „Was der Bauer nicht kennt,…“. So gesehen, hat der Umzug nichts verändert.

Da Samstag war und weil niemand mehr mit dem Auto fahren musste, kam dann das, was immer kommt. Schmeckt gut, der Schnaps den die hier haben. Wenn ich mich nur erinnern könnte. J

Kathrin hat einen guten Ausdruck dafür, was uns an diesem Samstag passiert ist, an dem wir nahezu ausschließlich schwedisch gesprochen haben. Wir sind „in der Sprache ertrunken“. Besser lässt sich der Zustand nicht mehr beschreiben. Man läuft über, vor Informationen, die man loswerden will, aber nicht kann. Und man ertrinkt in dem Schwall von Worten des Gegenübers, die alle noch durch den Interpreter müssen, der aber schon die weiße Flagge schwingt.

Heute Morgen, Montag, war es sehr warm. Im Tagesverlauf erreichten wir sogar mehr als 16 Grad. Ist der Winter schon vorbei? Wir haben den Ofen heute nicht eingeheizt, um Holz zu sparen, aber jetzt am Abend merkt man, dass es kühl in der Hütte wird.

Morgen gegen Mittag wird die Bodenplatte gegossen. Ich habe heute noch schnell ein paar Elektrokabel unter die Stahlmatten gelegt, dann muss ich später nicht soviel Kabel durch die Wände legen. Es war schon sehr praktisch, dass ich eine Woche Zeit hatte, bis gegossen wird. Ich stand jeden Tag wie ein Arbeiterstandbild auf dem Sockel, schaute in die Eingeweide des Anbaus und dann fiel mir wieder etwas ein, dass ich vergessen hatte (z.B. die Entlüftung der Kläranlage übers Dach, oder was noch besser zu machen sei.

In meinem „letzten Leben“ hatte ich schon mal ein Haus. Gebaut habe ich es nicht. Dieser Anbau hier ist ein Bruchteil dessen, was mir mal gehörte, aber es befriedigt einen ungemein, wenn man das Meiste selbst machen kann.     

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