Mittwoch, 15. August 2007

viele kleine und ein großes Unglück

11.8.07:

Gestern, Freitag, hatten wir einen Behördentermin und mussten pünktlich um 10 Uhr in der Stadt auf dem Amt sein. Für uns Waldbewohner ist das eine große Sache und brachte uns prompt in Stress. Das ist ja furchtbar, wenn einem die Zeit im Nacken sitzt. Kein gemütliches Frühstück mit Geplauder, statt dessen Druck. Zeitdruck. Furchtbar. ;-)

Als wir endlich abfahrbereit waren (der Autoschlüssel, nach dem wir 15 Minuten fahndeten, fand sich im Kescher wieder. Den MUSS Gismo da hineingetan haben!) biegt Persson in die Einfahrt ein. Nein! Jetzt nicht! Keine Zeit für einen kleinen Plausch, wir haben einen Termin und sind schon zu spät dran! Doch Persson zeigt nur auf die Hecktür seines alten Volvo. Schicksalsergeben erwarte ich, dass er frischen Fisch für uns hat und ich mir jetzt die Finger so einsaue, dass der Beamte sich später bestimmt seinen Teil denkt. Aber was ist das? Der Wahnsinn! Ein, wie wir später erfuhren 1,20m langer und 11kg schwerer Hecht lag da im Kofferraum und nahm die gesamte Breite des Volvo ein. Gespenstisch, schaurig und unheimlich. Er hat ihn beim Netzfischen gefangen. Ohne mich. Klar! Sonst wären es auch nur 1,20cm gewesen. :-) 

Alles was er wollte, war, dass wir ein Foto von ihm und dem Fisch machen. Also haben wir noch die Kamera aus der Hütte geholt. Das Ergebnis gibt es demnächst in der Fotogalerie zu sehen.

Obwohl wir keinen Stau hatten ;-) waren wir nicht mehr pünktlich im Amt. Das spielte aber keine Rolle, weil der Beamte ebenfalls erst später Zeit für mich hatte.

Dann wurde es ein dunkler Tag.

Zuerst funktionierte das WLAN in der Bibliothek nur noch wie ein altes 14.400er Modem. Kein Mail kam rein, kein Mail ging raus, geschweige denn Bilder ins Webalbum laden. Mist. Kathrin probierte weiter und ich ging in der Zeit zum Telia-Shop, um meinem Handy mit der Telia-Karte endlich Beine zu machen, damit die Internetverbindung wieder steht. Aber leider war wieder dieser Typ am Tresen, der keinen Bock hatte Englisch zu reden und der mich mit wenigen Anweisungen, die ich tun müsste, abschmetterte. Okay, wenn du nicht willst, dann gehe ich eben zur Bank und hole die ec-Karte ab, die nach 3 Wochen sicherlich schon auf mich wartet. Beim Warten (Wie in Schweden fast überall üblich, zieht man ein Nümmerchen, macht es sich irgendwo bequem und wartet, dass man dran ist.) erledige ich die Installationsaufgaben und dann hat mein Handy Internet und ich meine ec-Karte.

Wie sagte ich neulich: das Wort „eigentlich" bestimmt unser Leben. Also eigentlich müsste meine ec-Karte schon lange da sein – ist sie aber nicht. Und eigentlich müsste mein Handy jetzt ins Internet kommen, tut es aber nicht. Stattdessen kommt eine SMS von Telia, dass ich den Kundendienst anrufen soll. Ich? Da wünschte ich mir meine alte Firma zurück. Hatte man dort ein Problem, dann telefonierte man mit einem Iren, der, mit einem oder mehreren Löffeln im Mund, ein Englisch sprach, dass nur noch von meinen indischen Kollegen in der Unverständlichkeit getoppt wurde. Aber wenigstens Englisch. Der Gedanke an einen Mundart sprechenden, schlecht gelaunten Kundendienstmitarbeiter, mit dem ich schwedisch radebrechen soll, treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn.

Übrigens haben wir in der Bank eine neue ec-Karte beantragt.

 Das Postfach ist seit mindestens anderthalb Wochen gähnend leer. Wir warten unter anderem auf ein Katzenbuch von Amazon. Wenn das mit der Lieferzeit so weiter geht, brauchen wir ein Buch „Wie beerdigt man Katzen". Immerhin ist Gismo jetzt schon fast 12 Wochen alt. Wir befürchten, dass auch dort irgendetwas schief läuft. Wir warten auf die Personennummer, auf die Baugenehmigung, und, und, und,…

Vom schlechten Wetter, abgebrochenen Sensengriffen, defekten Leergutautomaten, im Auto vergessenem Portmonaise, festgestellt an der Kasse und anderen Nettigkeiten ganz zu schweigen. Also Schwamm drüber. Es war eben ein Freitag.

 

Der heutige Tag begann mit Nebel. Man kann den Herbst schon fühlen. Im Laufe des Vormittags verdrängte die Sonne den Nebel und das Wetter war so, wie wir es lieben: Reichlich 20 Grad, windstill, sonnig mit leichter Bewölkung. Perfekt.

Persson wollte, dass ich noch ein Foto vom Hechtkopf an der Schuppenwand mache. Also bin ich schnell hoch zu ihm gefahren und lernt dort bei einem Kaffee Tom kennen. Tom ist Perssons unmittelbarer Nachbar, lebt nur in den Ferien mit seiner Familie hier oben und kommt aus Stockholm. Blitzschnell waren wir in ein interessantes Gespräch verwickelt. Tom ist hier im Jagdklub und meinte, ich sollte das auch tun. Feine Sache. Ich bin zwar kein so großer Freund von Vereinen und in Deutschland wäre ich nie im Leben auf den Gedanken gekommen, in einen Jagdverein zu gehen. Aber hier? Mal sehen!

Als wir beim Mittagessen saßen, bekamen wir plötzlich Besuch. Besuch? Die Pferde? Nein! Zur Abwechslung verköstigte sich eine komplette Kuhherde, in der alle Generationen vertreten waren, an unserem Gras. Jetzt weißt du, Achim, warum unser Gras auf den Bildern immer so kurz war. Das ist nicht der 60. Breitengrad. Das sind die vielen Besucher! 

Kurze Zeit später kam Pauline, die die Sennerei in unserer Nähe betreibt und von der ich zu Beginn berichtete, vorbei und holte ihre Kühe wieder ab. Wahrscheinlich wussten die Kühe, dass in 4 Tagen das schöne Sommerleben zu Ende ist und sie haben sich einen Betriebsausflug gegönnt. Immerhin ist deren Stall 3 km von uns entfernt!

Wenn ich sehe, wie gut es den Tieren hier geht, dann freue ich mich auf den nächsten Frühling, wenn wir uns die erste Milch holen, nachdem die Kühe wieder in den Wald gelassen werden. Das wird einen Käse geben! Pauline begrüßte uns, als ob wir schon hundert Jahre hier leben würden und lud uns beim Treiben der Kühe auf einen Kaffee zu sich ein. Diese Einladung werden wir morgen gleich einlösen. Wir wollen dann zum ersten Mal mit unseren Fahrrädern fahren und freuen uns schon gewaltig auf die Fahrt und auf das Gespräch mit Pauline. Siehste – und schon ist so ein Tag wie gestern vergessen.

Gismo hatte heute seinen ersten vollen Tag im Freien. Das war so aufregend, dass er nicht an Schlafen dachte. Jetzt liegt er komatös bei Kathrin auf dem Schoß und wir denken fast an Reanimation. Fein, da kommt er wenigstens heute nicht mehr zu seiner Leidenschaft, dem Möbelentwerten. 

 

12.8.07

Während dieser Blogeintrag entsteht, trinken wir unser 2,8%iges „Pripps-Blå"-Bier und dazu einen erstklassigen „Ledaig-Whisky". Verzweiflungssaufen? Nein! Erleichterung! Aber alles der Reihe nach:

Morgens mit Persson raus zum Netzfischen. 2 schöne Barsche als Fangergebnis sind in Ordnung. Persson schenkt uns den Fang. Das kann er sich bei seinen 5kg Filet, die er aus dem Hecht geschnitten hat, auch leisten. Kurzerhand entschließen wir uns, heute mal den Fisch zu räuchern. Auf der Liste der Umzugskisten (Excel – was sonst) nach dem Karton gesucht und anschließend im Schuppen mit der Taschenlampe die Umzugskiste auch gefunden. Ganz unten, wo sonst. Anschließend festgestellt, dass die Räucherspäne in einer anderen Kiste sind. Diese war, genau, auch ganz unten.

Als ich den Räucherofen bestücke sagt Kathrin: „Da hat jemand geschossen!". Seltsam, da keine Jagdsaison ist, aber hier oben ist eben alles möglich.  

Plötzlich habe ich das Gefühl, ich wäre wieder in Zwickau: von irgendwoher eine Krankenwagensirene. Das war früher daheim das alltäglichste Geräusch. Aber hier?

Während wir den Fisch genießen, kommt unsere Waldstraße eben jener Krankenwagen entlang und verschwindet in Richtung Skinnaråsen. Wir dachten noch, dass sich vielleicht jemand ins Knie geschossen hat, oder so etwas Dummes eben. Ein Krankenwagen bei uns draußen, das ist schon mal etwas Besonderes.

Dem Krankenwagen folgten kurz darauf ein zweiter und ein dritter. Da wurde uns schon etwas komisch. Als dann noch ein normales Feuerwehrauto, ein Leiterwagen und ein Tanklöschzug vorbeifuhren wurde daraus Besorgnis. Ist vielleicht eine Gasflasche explodiert? Wo ist das passiert? Persson? Tom mit Familie? Perfekt wurde unsere Unruhe noch als ein Rettungshubschrauber der etwas größeren Art über unser Grundstück in Richtung Persson flog und dort fast eine Stunde kreiste.

Den Autos der ansässigen Zeitungen, die später ebenfalls zur Unglücksstelle fuhren, folgte ein Leichenwagen und das gab uns wirklich den Rest. Plötzlich wurde uns bewusst, wir sehr wir diesen alten Knurrhahn Persson ins Herz geschlossen hatten und wie wichtig er für uns hier ist. Er allein ist auch im Winter hier, er fährt den Schneepflug, er kennt die Tiere hier, er kennt die Jagd, er kennt einfach alles, was für uns wichtig ist. Oh Mann! Wir trauten uns aber nicht, hoch zu seinem Haus zu fahren, weil wir nicht als doofe Glotzer herumstehen wollten und Hilfe war wahrlich genug da.

Da wir Pauline versprachen, zum Kaffee zu kommen, fahren wir kurzerhand nach Ljusbodarna. Vielleicht hat sie schon frische Informationen? Neuigkeiten sprechen sich hier verdammt schnell herum. Und solche ganz besonders.

Pauline weiß gar nichts. Sie hat nur das Geräusch des Helikopters gehört und sich arg gewundert. Dann kommen plötzlich Leute vorbei, die oben in Skinnaråsen waren. Es war keine Gasflaschenexplosion! Es war ein Flugzeugabsturz einer Cessna. In der Nähe in Gagnef war ein Fliegertreffen und einer der Piloten muss mit seiner Maschine versucht haben, notzulanden. Uff! Persson lebt, Tom und Familie ist okay. Das war eine sagenhafte Erleichterung für uns! Entspannter konnten wir mit Pauline einen kleinen Schwatz machen und sind dann wieder heim gefahren. Später kam Persson vorbei und erzählte uns, dass die Maschine keine 200 Meter von seinem Haus entfernt abgestürzt ist. Wir lachen alle uns sind froh, dass wir uns noch haben. Zum Schluss beschließen wir, uns eine Flak zuzulegen.

Das ist doch seltsam. Hier fliegen in 4 Wochen halb so viele Maschinen über uns hinweg wie in Zwickau an einem normalen Sonntag. Und dann so was.

Schnell ist dann der „Alltag" wieder eingekehrt. Da heute ein eher kühler, bewölkter Tag war, heizten wir den Ofen ein und hatten ruckzuck warmes Wasser für eine ausgiebige Körperwäsche. Die Wärme des Ofens nutzten wir dann noch zum Anbraten des Gulasch und dem Zubereiten der abendlichen Bratkartoffeln.

Jetzt sitzen wir in der wohligen Wärme des Ofens und genießen unseren Whisky, den wir aus einer weiteren Umzugsbox heraussuchten, weil wir den heute brauchten. Nein, dieses Mal war die Kiste sogar leicht zu erreichen. Na dann: Skål!

Nachtrag an Einheitssoße: Gestern gab es Großhaider Stip, „Dein" Rezept. Schmeckt hier etwas anders, schon allein, weil der Spritzer Wein hier eben wegen Luxus entfällt, ist aber eine starke Erinnerung an daheim. Wir mussten die ganze Zeit an dich denken!

   

 

 

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